Tragische Helden wie wir
Lieferanten: Sind Helden. Pfleger und Ärzte auch. Leute an der Supermarktkasse: Helden. Unsere »Helden vom Acker« fanden auch schon Berücksichtigung. Diese triste Zeit scheint zu einem wahren Heldenepos zu werden. Gemacht von Applaushelden …
Zeitgleich lobte man auf ähnliche Weise Kassierer und überhaupt Angestellte der Supermärkte, die schnell wieder das Klopapier in jene Regale räumen, die vorher von den Kunden wüst geplündert wurde. Das seien die Helden der Corona-Krise, sie versorgen uns schließlich. Wie die Post- und Paketboten: Auch sie sind für uns da, machen das Zuhause Bleiben einfacher. Lieferhelden seien das. So nennt man Pizzaboten ja schon seit geraumer Zeit, eine Bestell-App hat den Begriff gebräuchlich gemacht. An Pflegekräfte, die jetzt sogar als Pflegehelden firmieren, muss man ja wohl nicht extra erinnern.
All die zu Trotteln erklärte Gruppen von gestern, auf die unsere liberale Gesellschaft gepfiffen hat, bekommen jetzt einen Orden angeheftet. Schon vorher verrichteten sie unter erschwerten Bedingungen ihre Arbeit. Und als was galten sie? Nicht etwa als Helden, sondern als unzuverlässiges Personal, für das man wenig übrig hatte… Wir haben uns als Gesellschaft so sehr vom Wert menschlicher Arbeitskraft entfernt, dass wir nichts daran fanden, die investierte Kraft anderer Menschen verächtlich abzutun.
Jetzt aber, wo das blanke Entsetzen wütet, wirft man sich jedem an den Hals, der etwas tut, was einem momentan persönlich nützt. Die Arbeit dieser Leute wird existenziell. Nicht etwa für die Arbeitskräfte selbst, die sonst trotz ihrer schweren Arbeit ums Überleben kämpfen müssen. Nein, für die, die die Arbeit in Anspruch nehmen. Der Überschwang wird zum einschleimenden Ausdruck einer Haltung, die schnell hochhebt – und ebenso schnell wieder vergisst…
Ob nun Acker-, Pflege- und Lieferhelden oder Helden der heimischen Couch: Wir haben es mit tragischen Helden zu tun. Wenn es gleich klingelt und der Bote bringt ein Päckchen in den vierten Stock, dann tut das kein Held in schillernder Rüstung, sondern wir nehmen die schlecht entlohnte Arbeitskraft eines tragischen Helden in Anspruch. Was er braucht ist kein Applaus, sondern ein Ausweg aus seiner Tragik.
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