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Hinweis

Eine Meinungsäußerung wird nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung. Auch eine überzogene und selbst eine ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähung. Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfGE NJW 1991, 95–97 = BVerfGE 82, 272–285)

Artikel 2 GG

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.

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Abgehauen und Schuld

Es ist ja nun ein Stück her, als ich den letzten Artikel verfasste und ein Buch vorstellte. Nun habe ich wieder zwei Bücher gelesen, die ich hier vorstellen möchte, denn sie sind trotz Kinder- und Jugendliteratur (KJL) auch für Erwachsene äußerst lesenwert.

Zum einen handelt sich um “Abgehauen”, dem Nachfolgeroman von “Weggesperrt”, den ich hier schon vorgestellt habe und zum anderen um “Schuld”. Allesamt Bücher, die von der Wendezeit in der DDR handeln und gerade jetzt ins 30. Jahr nach der Wende passen und sehr lesenswert sind und von der Autorin Grit Poppe stammen.

Beginnen möchte ich mit “Abgehauen”, der zwar als Nachfolgeroman von “Weggesperrt” angesehen werden kann, dennoch aber eine eigene Handlungsstruktur aufweist und sich vordergründig mit den Erlebnissen und der Entwicklung eines 16jährigen Mädchens beschäftigt, das wie schon die Protagonistin in “Weggesperrt”  eine schlimme Zeit im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau verbringen muß und die einzige Freundin von Anja, der Hauptfigur im Roman “Weggesperrt” ist.

DDR, geschlossener Jugendwerkhof in Torgau im Wendeherbst 1989: Von den politischen Umbrüchen im Staat bekommen die in Torgau inhaftierten Jugendlichen, die sozialistisch umerzogen werden sollen, herzlich wenig mit. Im Mittelpunkt des Romans steht die rebellische Gonzo, eine Figur, die bereits aus dem Roman “Weggesperrt” von Grit Poppe bekannt ist und eigentlich Nicole Pätzoldt heißt. Ihr Name ist ihr aber verhasst, so dass sie beschlossen hat, sich Gonzo zu nennen, als sie einmal im Westfernsehen die gleichnamige Figur in der Muppetshow sah – denn mit deren Außenseiter-Charakter konnte sie sich spontan identifizieren.

Die Sechzehnjährige muss eine Isolationshaft in der Dunkelzelle unter unmenschlichen Bedingungen erdulden, nachdem sie schon mehrfach versucht hatte, durch Selbstverletzungen ins Krankenhaus zu kommen. Dies erscheint ihr der einzige Ausweg aus der “Torgauer Hölle” zu sein. Ihre Qualen steigen ins Unermessliche, als ein Erzieher versucht, sich ihr sexuell zu nähern. Sie entkommt nur knapp einer Vergewaltigung. In den darauffolgenden Tagen in der Dunkelzelle besucht sie der “Panik-Punk”, eine Wahnvorstellung, die Anzeichen ihrer blanken Verzweiflung ist. Der Panik-Punk bleibt von nun an ihr ständiger Begleiter.

In Rückblicken erfährt der Leser dabei von Gonzos trauriger Lebensgeschichte: Verlassen von den Eltern, verbrachte sie ihre Kindheit in wechselnden Heimen der DDR. In jungen Jahren gab es nur kurzzeitig eine Tante, die das Kind manchmal besuchte.

Nachdem Gonzo aus der Dunkelhaft entlassen wird, geht ihre Torgauer Zeit bald zu Ende: Sie soll in ihren Stammwerkhof zurückgebracht werden. Bei dieser Gelegenheit gelingt ihr die Flucht, geduldet von einem ihr gegenüber wohlwollenden Erzieher. In einer Kleingartendatsche, wo sie sich versteckt, lernt sie den Ausreißer René kennen, zu dem sie nach und nach Vertrauen fasst. Gemeinsam mit ihm wagt sie die Flucht in den Westen. René, der sich mit seinen Eltern überworfen hat, ist hierbei die treibende Kraft. Gonzo agiert eher als Mitläuferin, zumal sie in Torgau von den Ausreisewellen der DDR-Bürger in den Westen nichts mitbekommen hat. Gemeinsam gelingt den beiden Jugendlichen, die sich langsam ineinander verlieben, der illegale Grenzübertritt in die Tschechoslowakei. Es folgen Tage des Ausharrens auf dem Gelände der Prager Botschaft, bis endlich der bundesdeutsche Außenminister Genscher die Ausreise für die DDR-Flüchtlinge verkündet. Mit dem ersten Ausreisezug gelangt Gonzo in den Westen. In Martha, die sie in der Prager Botschaft kennengelernt hat, findet sie eine Ersatzmutter.

Ende gut, alles gut? Wohl kaum, denn es kann nicht alles gut sein, wenn man die Inhaftierung in Torgau hinter sich hat. Gonzo bleibt wohl lebenslang traumatisiert. Zum Ende des Romans nimmt sie Kontakt zu ihrer Freundin Anja auf, der Protagonistin aus Weggesperrt. Gemeinsam erkennen die beiden, dass sie die Traumata nur ansatzweise überwinden können, wenn sie den Ort des Geschehens noch einmal aufsuchen. Nach dem Mauerfall wurde der Jugendwerkhof in Torgau geschlossen. Anja und Gonzo fahren in Begleitung von René an den “Ort des Schreckens”. Erst hier schafft es Gonzo, mit ihrem Freund René über das Erlebte zu sprechen. Er kann nur noch weinen – und Gonzo kann lange nicht alles aussprechen, was ihr in Torgau widerfahren ist. Aber sie fügt hinzu: “Eines Tages werde ich dir alles erzählen.” Mit diesem Satz endet der Roman.

Ähnlich wie Weggesperrt zeichnet sich der Roman durch die schonungslose Offenheit aus, mit der die Autorin die unmenschlichen Bedingungen schildert, unter denen die Jugendlichen in Torgau leben mussten. Die Schilderungen von Gonzos Isolationshaft in der Dunkelzelle grenzen ans Unerträgliche. Die Lektüre ist kaum auszuhalten. Doch anders als Weggesperrt hat nicht der ganze Roman einen derart düsteren Charakter. Der zweite Teil, nachdem Gonzo geflohen ist, gestaltet sich deutlich dynamischer. Nun stehen die Ereignisse der Wende im Zentrum des Geschehens. Glaubhaft, authentisch und konsequent am historischen Wirklichkeitsmaterial orientierend, schildert Grit Poppe die Zustände, die im Herbst 1989 in der deutschen Botschaft in Prag herrschten.

Vor diesem Hintergrund lässt sich der Roman als zeitgeschichtlicher Roman zum Mauerfall einstufen. Dem Charakter des Genres entsprechend vermischt sich der Roman sowohl mit dem Liebes- als auch mit dem Adoleszenzroman: Erzählt wird die Liebesgeschichte zwischen Gonzo und René, verbunden mit der Entwicklung Gonzos. Aufgrund dessen, was die Protagonistin in Torgau erleben musste, handelt es sich jedoch um eine gestörte Adoleszenz: Sie ist tief verunsichert, hat Mühe zu vertrauen, kann sich René nur schwer, zuweilen auch gar nicht öffnen und ist deshalb in ihrer Entwicklung blockiert. Am Ende aber scheint eine Hoffnungsperspektive auf, da Gonzo es wagt, sich gemeinsam mit Anja der Vergangenheit zu stellen.

Der Roman hat mich genauso gefesselt und erschüttert wie der vorige “Weggesperrt” und ich kann ihn wirklich jedem, der sich für jüngere Geschichte interessiert, empfehlen. Ich habe beim Lesen das Mädchen so liebgewonnen, daß es mir fast ein Stück leid tat, sie am Ende gehen zu lassen. Beziehbar bei www.oettinger-taschenbuch für 6,99 EUR

Und dann wäre noch der Roman “Schuld” ebenfalls von Grit Poppe. Der ist etwas anders aber nicht weniger aufrüttelnd und ebenfalls ein Stück Zeitgeschichte. Da erzählt die Autorin von Jana und Jakob, deren Beziehung mit ihrer unterschiedlichen Herkunft zu kämpfen hat: Jana ist die Tochter eines SED-Funktionärs, Jakob demonstriert gegen das DDR-Regime – eine Liebe ohne Zukunft?

Ostberlin 1988: Die fünfzehnjährige Jana ist mit ihren systemtreuen Eltern hierher gezogen, doch die Eingewöhnung in der neuen Umgebung fällt ihr schwer. Sie vermisst ihre Freundinnen und ihr altes zu Hause. Doch dann lernt sie ihren Klassenkameraden Jakob kennen und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Dabei scheinen die beiden Jugendlichen vordergründig gar nicht zusammen zu passen. Jana wohnt mit ihren Eltern, die Mitglieder der SED sind, in einem schicken Haus, weshalb sie von Jakob als “Bonzentochter” bezeichnet wird. Denn Jakob selbst steht am Rande der DDR-Gesellschaft: Seine Eltern haben einen Ausreiseantrag gestellt und leben nun mit Repressalien des DDR-Regimes. Auch Jakob rebelliert gegen das System, verteilt Flugblätter und ruft zu Widerstand und Revolution auf. Aus diesem Grund muss er die Schule verlassen. Janas Eltern sind schockiert über den neuen Umgang ihrer Tochter, vor allem der Vater. Er verbietet Jana den Kontakt zu ihrem Freund. Doch daran hält sich die Protagonistin nicht. Sie trifft Jakob weiterhin heimlich und lernt durch ihn die Bürgerbewegung “Neues Forum” kennen, von der die legendären Montagsdemonstrationen ausgehen.

Als Jakob verhaftet wird, bricht für Jana eine Welt zusammen. Halt gibt ihr nun nur noch die Freundschaft mit Henriette, die sie ebenfalls über Jakob kennengelernt hat. Und Jakob? Der ist nun bis zum Mauerfall den grausamen Haftbedingungen des DDR-Jugendstrafvollzugs ausgesetzt, die Grit Poppe hier ebenso schonungslos und eindrucksvoll schildert wie schon in ihren Romanen Weggesperrt und Abgehauen. Für den inhaftierten Jugendlichen bricht eine Welt zusammen, als seine Freundin vermeintlich per Brief mit ihm Schluss macht. Der Leser ahnt schon an dieser Stelle, dass in Wahrheit Janas Vater der Verfasser des Briefes ist.  Jakob unternimmt einen Selbstmordversuch. Dieser scheitert und der Junge verfällt in Lethargie und Depression, kann aber auch positive Kontakte zu anderen aus politischen Gründen Inhaftierten knüpfen. Jakob ist fassungslos, als er schließlich im November 1989 von der Öffnung der Grenze erfährt, während Jana diese hautnah miterlebt und sich aktiv an den Montagsdemonstrationen beteiligt.

Erst im Jahr 1992 sehen Jana und Jakob sich wieder. Ihr Wiedersehen ist überschattet von einer bitteren Erkenntnis: Es war Janas Vater, der Jakob hat inhaftieren lassen und seine eigene Tochter bespitzelte.

Eindrucksvoll, schonungslos, gut recherchiert – dies sind Schlagworte, die den Roman treffend beschreiben. Die Handlung ist spannend, aufgrund der komplexen Erzählstruktur aber auch als anspruchsvoll zu bezeichnen. Die Geschichte wird sowohl aus der Perspektive Janas als auch aus der Jakobs erzählt, die einander abwechseln. Eingeschoben sind zudem Zeitsprünge in das Jahr 1992, in denen Jana aus der Ich-Perspektive erzählt, sowie Tagebucheinträge des Mädchens aus den Jahren 1988 und 1989. Dadurch gelingt Poppe ein differenzierter Blick ins Innere ihrer Hauptfiguren: Jana, die hin und her gerissen ist zwischen Jakob und ihren Eltern, ihrem Schwanken zwischen Widerstand und Angepasstheit. Jakob, der massiv unter den grausamen Haftbedingungen leidet. Ihre Gefühle zueinander werden von beiden Seiten beleuchtet. So ist dem Leser gleich klar, dass es nicht Jana war, die den Brief geschrieben hat, der die Beziehung zu Jakob angeblich beendet. Doch Jakob nimmt in seiner verzweifelten, isolierten Situation alles für bare Münze:

“Jana hatte ihn verlassen. Kein Kuss mehr. Kein liebevolles Lächeln. Keine zärtliche Berührung. Keine Umarmung. Aus. Vorbei. Ende. Es kam ihm vor, als würde er durch einen dunklen, leeren Tunnel laufen. Ohne eine Ziel. Ohne einen Ausgang.” (S.301)

Es sind auch diese parataktischen, kurzen Sätze, die die Figuren authentisch und somit die ganze Handlung glaubwürdig wirken lassen. Grit Poppe ist durch diesen Erzählstil ganz nah dran an ihren beiden Protagonisten und versteht es meisterhaft, deren innere Konflikte pointiert abzubilden, z.B. in den Tagebucheinträgen von Jana:

“Ich habe Eltern, die mich lieben und sich um mich sorgen. Deshalb sind sie auch gegen die Verbindung mit Jakob, das ist mir schon klar. Sie wollen nicht, dass ihre Tochter in Schwierigkeiten gerät. Ich kann das verstehen. Aber sie haben trotzdem nicht das Recht, sich einzumischen und alles kaputt zu machen, oder? Gib mir ein Zeichen, liebes Tagebuch, denn ich weiß nicht, mit wem ich sonst reden soll. Wieso muss alles so kompliziert sein? Warum kann ich nicht einfach einen ‘ganz normalen’ Freund haben und herumknutschen?
Bin ich verliebt in ihn?
Das Gefühl ist mal da und mal nicht. Ist das normal? Oder weiß ich nicht, was ich will?” (S. 132)

Durch die variantenreiche Erzählstruktur, die mit einem Blick ins Innere der Figuren korrespondiert, überwindet Grit Poppe die für die Wende-KJL oft so typische Stereotypisierung und schafft es in weiten Teilen, die sonst häufig vorzufindende Schwarz-Weiß-Malerei in Büchern über die DDR zu umgehen.

Ein lesenswerter, spannender Roman für jugendliche Leser ab 16 Jahren, die schon über historisches Wissen zur DDR verfügen und die Zeitsprünge und Wechsel in der Erzählperspektive nachvollziehen können.  Das Buch ist auch für den Einsatz in der Schule zu empfehlen, da die Geschichte von Jana und Jakob authentisch wirkt und wichtige Einblicke in die Zeit des Mauerfalls liefert. Dies geschieht in literarisch innovativer Weise. Aufgrund dessen eignet sich der Roman sowohl zur Beförderung des historischen als auch des literarischen Lernens. Beziehbar beim Dressler-Verlag Hamburg für 9,99 EUR

Kleine Nachbemerkung; beide Bücher und auch “Weggesperrt” liest man an einem Tag komplett durch, weil man Seite für Seite wissen will wie es weitergeht. Es wäre vielleicht auch anratbar, diese Bücher mal zu verfilmen.

Eine Antwort auf Abgehauen und Schuld

  • Soeckchen sagt:

    Es ist fast schon erschreckend, wie sich niemand von den geistlosen Lesern hier für so ein brisantes und tabuisiertes Thema interessiert. Das ist ja fast wie nach dem 2. Weltkrieg. Da wollten die Deutschen auch nicht mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. Bei dem Thema hier ist es zwar etwas anders, aber meines Wissens gab es ca. 16 Mio DDR-Bürger. Und die wollen heute scheinbar auch von nix etwas gewusst haben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass genau solche Dinge passiert sind.

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