Google-Suche

Wenn Ihr im Blog nichts findet, müßt Ihr Google durchsuchen.


M'era Luna

Nur noch paar Tage

Newsletter bestellen

Gib Deine E-Mail-Adresse ein, um KOSTENLOS Benachrichtigungen über neue Artikel zu erhalten.

 

Schließe Dich 855 Abonnenten an und sei dabei, wenn auf den Punkt gebracht wird, was auf den Punkt gebracht werden muß.

Schattenreich

Raus aus dem Alltag und rein in eine Welt mit einer Musikmischung aus Dark Wave und Gothic Rock. Zum Start auf die Grafik klicken.

Hinweis

Eine Meinungsäußerung wird nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung. Auch eine überzogene und selbst eine ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähung. Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfGE NJW 1991, 95–97 = BVerfGE 82, 272–285)

Artikel 2 GG

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.

930 von 1000 sagen

Jobcenter-Mitarbeiter bei Fehlern und Verstößen persönlich haften lassen!

  • JA (93%, 930 Stimmen)
  • NEIN (7%, 71 Stimmen)

User gesamt: 1.001

lädt ... lädt ...

***

***

***

Weggesperrt

Auch wenn man frühere Zeiten oft verklärt und auch oft genug sagt, daß früher alles besser war, möchte ich heute einmal auf ein Kapitel jüngster deutscher Geschichte in Form eines Buches aufmerksam machen, auf das mich eine Bekannte brachte und mich zutiefst erschütterte.

Wir hier in der ehemaligen DDR wussten von den sogenannten Jugendwerkhöfen der DDR. Obgleich nie offiziell darüber gesprochen wurde. Das waren spezielle Erziehungsheime und uns wurde immer eingehämmert, daß dort nur kriminelle Jugendliche einsaßen, die man umerziehen wollte. Doch wofür man eigentlich dort hin kam, das war absurd und zutiefst unmenschlich. So konnte man schon wegen Schulbummelei eingesperrt werden oder auch nur weil die Elten einen Ausreiseantrag stellten usw. Man konnte da auch eingewiesen werden, weil man Punk war, wie Depeche Mode aussah, ein “Gruftie” war – also weil man nicht ins Bild der Ideologie passte. Ähnlich wie bei Hitler.

Gebäude des Geschlossenen Jugendwerkhofs, Verwaltungstrakt mit Schleusenbereich (Quelle: Gedenkstätte GJWH Torgau; jugendwerkhof-torgau.de)

Schon bei der Ankunft im Geschlossenen Jugendwerkhof sollte unmissverständlich klargestellt werden, was die Jugendlichen erwartete. Der Antrag auf Einweisung nach Torgau wurde vom Direktor der Stammeinrichtung beim Ministerium für Volksbildung, Zentralstelle für Spezialheime, gestellt und von dort genehmigt. Wiederholte Fluchtversuche, Auflehnung gegen Organe der Jugendhilfe sowie Arbeitsbummelei und Schulschwänzen waren die häufigsten Einweisungsgründe.

Die Fahrt nach Torgau glich oft einem Häftlingstransport. Zur Bewachung und Übergabe fuhr ein Erzieher des einweisenden Heimes mit, der vor der Abfahrt eine Leibesvisitation durchzuführen hatte. Die Jugendlichen trugen Privatkleidung, durften aber keine persönlichen Gegenstände mitnehmen. Im Fahrzeug war eine Abtrennung der Fahrerkabine vorgeschrieben.

Schleusenbereich mit Blick auf den Zellentrakt (Quelle: Archiv DIZ Torgau)

Bei der Ankunft im Geschlossenen Jugendwerkhof durften die Jugendlichen erst aussteigen, wenn das schwere Einfahrtstor wieder verschlossen war. Im Verwaltungsgebäude hatten sie in strammer Haltung zu warten, bis der diensthabende Erzieher die Papiere in Empfang nahm und die “Neuzugänge” registrierte.

Schleusenbereich (Quelle: Archiv DIZ Torgau)

Danach mussten sich die Jugendlichen in der Kleiderkammer vollständig ausziehen. Es erfolgte eine erneute Leibesvisitation, bei der auf einem Meldeformular auch Tätowierungen erfasst wurden. Es erübrigt sich auch zu erwähnen, dass den Jugendlichen auch in alle Körperöffnungen geschaut wurde, was besonders bei Mädchen sehr erniedrigend war, zumal da auch nicht selten ein männlicher “Erzieher” mit anwesend war. Den Jugendlichen – auch den Mädchen – wurden die Haare kurzgeschoren und sie wurden desinfiziert. Nach Ausgabe der einheitlichen Anstaltskleidung und Abgabe der Zivilkleidung kamen die Jugendlichen in eine Einzelarrestzelle, die “Zuführungszelle”. Diese war nur mit einer Holzpritsche (ohne Matratze) und einem Kübel für die Notdurft ausgestattet. Dort erhielten sie eine kurze Einweisung in die Umgangsregeln und bekamen die “Hausordnung” ausgehändigt, die sie auswendig lernen mussten. Diese wurde immer wieder abgefragt und wer sie nicht auswendig herbeten konnte, blieb noch paar Tage drin bis es auswendig gelernt war. Nicht unüblich war auch die sogenannte “Knebelkette”.

Arrestzelle um 1989 (Quelle: Gedenkstätte GJWH Torgau; jugendwerkhof-torgau.de)

Bei Ersteinweisung blieben die Jugendlichen drei Tage, bei wiederholter Einweisung bis zu 12 Tage völlig isoliert in der “Zuführungszelle”. Die Schlafpritsche durfte nur nachts benutzt werden und da gab es nur eine Decke als Unterlage und eine zum Zudecken. Ansonsten saß man auf einem Schemel mit Blick zur Tür und hatte die Arrestordnung und Hausordnung auswendig zu lernen, die immer wieder stichpunktartig abgefragt wurde. Bei Fehlern wurde der Aufenthalt verlängert. Wie gesagt, bis zu 12 Tage. Erst dann fand ein Aufnahmegespräch mit dem Direktor statt, in dem der Einweisungsgrund und die von nun an geltenden Verhaltensregeln sowie die vorgesehene Dauer des Aufenthalts mitgeteilt wurden. Das genaue Entlassungsdatum stand jedoch noch nicht fest. Die Jugendlichen mussten anschließend einen Brief an die Eltern schreiben, der Kontrollfunktion hatte: es durfte lediglich das Aufnahmegespräch wiedergegeben werden. Von nun an waren sie Teil des Kollektivs, ihrer Gruppe. Freundschaften in der Gruppe waren eher die Ausnahme als die Regel, denn es herrschte Kollektivzwang und das bedeutete, wenn jemand gegen irgendwelche Vorschiften verstieß oder was auch immer den “Erziehern” nicht passte, wurde die ganze Gruppe bestraft.

“Gruppenbereich” 1. Etage (Quelle: Gedenkstätte GJWH Torgau; jugendwerkhof-torgau.de)

Der “Gruppenbereich”, sofern man diesen überhaupt so nennen kann, glich eher einem Zellengang im Knast zu Kaiser Wilhelms Zeiten und die Schlafräume teilten sich 15 bis 20 Jugendliche in Drei-Stock-Betten. Nachts wurde abgeschlossen und für die Notdurft stand ein Kübel mit Chlorkalk bereit, der dann von den Jugendlichen gezwungenermaßen benutzt werden musste. Früh wurde der Kübel geleert und wie alles andere auch musste das im Laufschritt erfolgen. Man kann sich vorstellen, dass die Dinger dabei auch überschwappten. Tagsüber einfach mal so auf Toilette war auch nicht, denn dafür musste Meldung gemacht werden und erst wenn sich mehr als zwei auch meldeten, war der Gang zur Toilette erlaubt. Wer aber glaubt, dass man beim Toilettengang Privatsphäre hatte, irrt sich, denn die Toilettenbecken waren nicht räumlich voneinander getrennt, sondern standen nebeneinander in Reihe und jede/jeder konnte der/dem anderen beim [...] zusehen. Die “Erzieher” standen dabei in der Tür und passten auf. Bei den Mädchen nicht selten auch männliche “Erzieher”. Beim Duschen war das nicht anders und je nach Laune der “Erzieher” blieb die Dusche nicht selten auch kalt. Es gibt einen Zeitzeugenbericht einer Insassin, wo dies auch im Winter bei minus 18°C geschah mit anschließendem Frühsport auf dem Hof in kurzen Sportsachen. Wohlgemerkt bei minus 18°C.

Vergittertes Treppenhaus (Quelle: Archiv DIZ Torgau)

Hinzu kam dann noch Sprechverbot: vierundzwanzig Stunden am Tag; acht Stunden Arbeit im Akkord, danach Sport und noch mal Sport, Hunderte Kniebeuge, Liegestütze, Hockstrecksprünge bis zur Erschöpfung und im Entengang die Treppe auf und ab. Mit “Erziehung” hatte das nichts zu tun. Und als wäre das alles nicht genug, verging sich der Anstaltsleiter Horst Kretschmer regelmäßig zusammen mit anderen “Erziehern” noch an den Mädchen und nicht wenige ehemalige “Erzieher” arbeiten heute noch in erzieherischen Einrichtungen wie Ralph Spiegel und eine “Erzieherin” von Torgau war noch bis vor 5 Jahren sogar Leiterin eines Altenheimes in Torgau. Ihre “Spezialität” war es, vorzugsweise Mädchen in Gruppe bis zur Eschöpfung im Entengang mit Händen hiner dem dem Kopf die lange Treppe der “Erziehungsanstalt” hoch und runter laufen zu lassen und wer schlapp machte, bekam mit Schlagstock oder Schlüsselbund eins ins Genick geschlagen. Diese “Erziehungsmethode” haben Leistungssportler versucht nachzustellen und ausnahmslos alle sagten, dass dies fast unmöglich sei. Doch bei den Jugendlichen saß die Angst vor weiteren Strafen und Schlägen im Nacken. Wer will kann dies ja einmal in seinem Treppenhaus nachmachen und wird sehr schnell feststellen. daß bereits ein Gang hoch und und runter alles andere als “Sport” ist.

Hofbereich der Jungen mit Sturmbahn (Quelle: Gedenkstätte GJWH Torgau; jugendwerkhof-torgau.de)

Anzeige heute? Fehlanzeige! Denn nach geltendem damaligen DDR-Recht verjährten Kindesmisshandlungen nach bereits 10 Jahren und da heute alles über 30 Jahre her ist, kümmert sich auch die so “tolle” BRD nur einen Scheißdreck darum. Die Jugendlichen mussten wie schon oben beschrieben, im Akkord auch arbeiten und vom kärglichen Lohn wurden dann noch die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Transport abgezogen. In der Regel wurden dort Waschmaschinenteile hergestellt, die dann für Devisen in den ach so goldenen Westen an Miele, AEG usw. verkauft wurden. Ja auch der Westen profitierte von den Zuständen in der ehemaligen DDR und erschuf sich sein Imperium unter anderem auch durch Kinderarbeit in der DDR. Umso verwunderlicher ist es, daß sich eine ostdeutsche Kanzlerin und ein ehemaliger ostdeutscher Bundespräsident einen elenden Scheißdreck dafür interessieren.

Hofbereich der Mädchen (Quelle: Archiv DIZ Torgau)

Die Schriftstellerin Grit Poppe hat zwei Bücher geschrieben und behandelt in diesen ganz speziell den “geschlossenen Jugendwerkhof Torgau“. Das war wie schon beschrieben ein Jugendgefängnis schlimmer als der normale Knast im Strafvollzug der DDR. Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren wurden dort, nachdem sie aus “offenen” Werkhöfen oft wegliefen in Torgau hinter Stacheldraht, Mauern und vergitterten Fenstern für mindestens 3 Monate maximal 8 Monate dort eingesperrt, um sie zu “sozialistischen Vorzeigemenschen” umzuerziehen. Heute sind viele erwerbsunfähig, leben von Hartz IV und weil der Westen den “Teilfacharbeiter” nicht anerkannte eh auf dem Abstellgleis. Hier tut Aufarbeitung Not, schon allein deswegen weil Deutschland es schon versäumt hatte, die Verbrechen der Nazis mal richtig aufzuarbeiten.

Grit Poppe erzählt in Weggesperrt eine durch und durch düstere Geschichte. Von der ersten bis zur letzten Seite vermittelt der Text beklemmende Gefühle, schockiert und bestürzt den Leser zutiefst. Schonungslos und offen zeichnet die Autorin das Schicksal ihrer Protagonistin nach, die zwar eine fiktive Figur ist, deren Darstellung sich jedoch eng an der Realität orientiert und somit tatsächlich an das Grauen erinnert, das die jugendlichen Insassen im geschlossenen Jugendwerkhof Torgau in der DDR erfuhren. Aufklärung über die Zustände dort ist das deutliche Anliegen des Textes. Damit wendet sich Grit Poppe einem bislang wenig beachteten Thema der DDR-Geschichte zu und legt mit Weggesperrt den ersten Jugendroman darüber vor.

DDR 1988 – Als Anjas Mutter einen Ausreiseantrag stellt, ändert sich das Leben der 14jährigen Anja radikal und brutal. Bislang war sie eine fröhliche, leicht aufmüpfige Schülerin, doch diese Fröhlichkeit wird nun gebrochen: Die Mutter wird verhaftet und Anja von der Stasi in ein Durchgangsheim gebracht. Sie wird einfach weggesperrt, behandelt wie eine Schwerverbrecherin und ist nun tagtäglich den Demütigungen und der Willkür der Erzieher ausgesetzt. Anja weiß kaum, wie ihr geschieht. Was hat sie verbrochen? Der einzige leise Hoffnungsschimmer besteht für die Protagonistin in der sich anbahnenden Freundschaft zur rebellischen Gonzo und in dem vorsichtigen Kontakt zu Tom, der ihr durch die Zellentür hindurch vom Kinofilm E.T. erzählt. Anja verliebt sich in ihn. Doch vorrangig kann sie nur an eines denken: Flucht. Vom Durchgangsheim wird sie in einen Jugendwerkhof gebracht, wo sie sozialistisch umerzogen werden soll. Anja gelingt von dort der Ausbruch. Sie schlägt sich durch zu Verwandten, wo sie sich über die Weihnachtstage verstecken kann. In diesen Tagen entwickelt sich eine intensive Verbindung zu ihrem Cousin Kilian, der Anja von seiner Begeisterung für Lyrik, speziell für die Gedichte von Rilke erzählt. Erst ist Anja befremdet, doch schon bald gewinnt das Gedicht Der Panther eine existenzielle Bedeutung für sie. Denn Anja bleibt nicht unentdeckt, schon kurz nach Weihnachten wird die flüchtige Jugendliche aufgegriffen und  zurück in den Jugendwerkhof gebracht. Die Identifikation mit dem eingesperrten Panther aus Rilkes Gedicht wird ihr nun zum Lebenselixier und hilft ihr beim Überleben hinter Gittern.

Denn es kommt noch schlimmer: Als eine Erzieherin Anja quält, indem sie mit einem Brief ihrer Mutter herumwedelt, ihr diesen aber nicht gibt, rastet das Mädchen aus. Blind vor Wut und Verzweiflung schlägt sie mit einem Stuhl auf die Erzieherin ein. Aufgrund dieses Vorfalls wird sie als gewalttätige Jugendliche eingestuft und in den geschlossenen Jugendwerkhof Torgau gebracht. Gewalt und Drill stehen hier auf der Tagesordnung, ebenso wie Zwangssport und Arbeit bis zum Umfallen. Sobald ein Mädchen z.B. durch körperliche Schwäche beim Sport eine Kollektivstrafe ausgelöst hat, prügeln die anderen Mädchen des Nachts auf es ein. Anja verliert die Orientierung und den Lebenswillen, versucht nur noch zu funktionieren und fragt sich immer wieder, wo ihre Schuld liegt.

In Torgau trifft sie Gonzo und Tom wieder. Da Kontakte unter den Jugendlichen streng verboten sind, bleiben die Annäherungen unter ihnen sehr vorsichtig, sind aber dennoch der einzige Halt, der sich in dieser “Hölle” bietet.

Anja entkommt schließlich durch einen Unfall. Sie rutscht auf der feuchten Treppe aus, zieht sich eine Gehirnerschütterung zu und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Von dort aus gelingt ihr die Flucht. Sie schafft es bis nach Leipzig, wo sie sich zunächst bei einer alten Frau verstecken kann. Da Tom ihr seine Adresse gegeben hat, schafft sie es schließlich, ihren Freund wiederzufinden, der inzwischen aus Torgau entlassen wurde. Durch ihn gerät sie mitten in die Montagsdemonstrationen vor der Nikolaikirche. Bis dahin hatte sie vom Umbruch in der DDR fast nichts mitbekommen. Hier findet sie endlich ihre Mutter wieder, die im Zuge des politischen Aufbruchs entlassen wurde.

Doch der Leser ahnt: Durch die Zeit in Torgau wird Anja für immer eine gebrochene Persönlichkeit bleiben…

Auf der Darstellungsebene fällt die schnelle Handlungsabfolge auf. Die Handlung beginnt mit der Verhaftung von Anjas Mutter. Von da an überschlagen sich die Ereignisse, sodass der Leser gar nicht anders kann, als diesen in rasantem Tempo zu folgen und um sich die ganze Lektüre über betroffen und bedrückt zu fühlen. Ganz sicher entspricht das der Intention der Autorin, wie sie in einem Interview verdeutlicht hat. Sie leistet mit ihrem Buch Aufklärungsarbeit über das, was in Torgau geschah und öffnet damit dem jugendlichen Leser die Augen über ein Stück DDR-Historie, das häufig tabuisiert wurde und wird. Vor diesem Hintergrund ist das Buch als zeitgeschichtlicher Roman mit unübersehbarem geschichtsdidaktischen Anspruch zu betrachten. Die geschichtliche Aufklärung erfolgt aber nicht mahnend oder belehrend, sondern durch die schonungslose Offenheit, mit der von den auf Tatsachen beruhenden Verhältnissen in Torgau erzählt wird, beispielsweise in einer Szene, in der Anja gezwungen wird, die aus Ekel erbrochenen Milchnudeln wieder aufzuessen. Diese schonungslose Offenheit ist sicher die größte Stärke des Romans – neben seinen intertextuellen Bezügen zum Kinofilm E.T. und zu Rilkes Gedicht Der Panther. Beide fungieren als Symbole: der Panther für die Gefangenschaft der Protagonistin, der Außerirdische für ihre Einsamkeit und ihr Heimweh.

Das Buch rüttelt auf, macht nachdenklich – und wütend. Im Kontext der KJL zu Mauerfall und Wende handelt es sich bei Weggesperrt insofern um ein besonderes Buch, als dass es ein Thema aufarbeitet, das bisher von der Jugendliteratur gänzlich ausgeblendet wurde. Sicher ist dies der Grund, weshalb der Roman im Jahr 2010/2011 als Prüfungslektüre für den Mittleren Bildungsabschluss in Baden-Württemberg ausgewählt wurde. Denn Weggesperrt leistet eindringliche Aufklärungsarbeit über ein Stück oftmals verdrängter DDR-Geschichte.

Mein persönliches Fazit ist daher, egal wo und unter welchen Gesichtspunkten Unrecht geschieht – sei es in einer Diktatur, in einer Demokratie, oder Anarchie oder was auch immer – Unrecht bleibt Unrecht und muss aufgearbeitet und gesühnt werden. Unrecht ist durch nichts aber auch gar nichts zu rechtfertigen und schon gar nicht zu entschuldigen. Egal was ein Mensch angestellt hat, die Menschenrechte sind dennoch zu achten und wer Unrecht mit Unrecht ahndet, ist nicht besser als derjenige, der Unrecht begangen hat.

.

.

Empfehlenswert ist auch der Nachfolgeroman “Abgehauen” von Gritt Poppe.

Auch würde mich gerade 30 Jahre nach Mauerfall eine Diskussion über das Thema interessieren und vielleicht finden auch ehemalige “Weggesperrte” hierher und eventuell kann man gemeinsam noch ein paar dieser “Erzieher” ausfindig machen und ihnen die Chance geben, zu ihren Taten zu stehen und Einsicht zu üben.

3 Antworten auf Weggesperrt

  • Andi67 sagt:

    Das hat wohl damit zu tun, das der DDR Sozialismus ein Autoritärer war. In Ungarn oder Czechien war er nicht ganz so. Die andere Seite ist die: wenn Menschen zuviel Macht bekommen, werden sie diese zu ihrem Vorteil nutzen unabhängig davon in welchem System sie leben. Wenn sie dann noch sadistische Züge haben oder weil sie selber traumatisiert sind und selber als Kind Opfer waren, kommt so etwas dabei heraus. Nebenbei selbiges / ähnliches Unrecht gab es damals auch in der BRD und natürlich heute immer noch.

    • Schnakenhascher sagt:

      Im Grunde genommen gab es nie einen Sozialismus genauso wenig wie es den Kommunismus gab. Es waren Regime, die sich den Anstrich des Sozialismus/Kommunismus gaben und unfähig waren, ihn umzusetzen. Das ist ja die Krux an dem ganzen Dilemma. Sicherlich gab es auch viel Gutes aber Unrecht bleibt Unrecht und auch in der BRD, die sich Demokratie nennt, ist Demokratie oft genug nur eine Phrase. Man versäumte nach 1989 die Vorzüge beider Systeme zusammenzuführen und endlich mal beiderseitig Geschichte aufzuarbeiten. Das gilt für die Vergehen der Nazis ebenso wie für die der selbsternannten “Kommunisten”. Ich verstehe ja selbst erst heute nach 30 Jahren Mauerfall wo einige meiner Freunde und Freundinnen landeten und warum sie nie darüber sprachen. Wenn ich recht so drüber nachdenke, bin ich vielleicht auch mit meiner Aufmüpfigkeit als Jugendlicher um Haaresbreite diesen Werkhöfen entgangen und wäre es schlecht gelaufen, dort gelandet.

    • Soeckchen sagt:

      Ich glaube, dass die alten Herren, welche die DDR regierten an ihren eigenen Idealvorstellungen ganz kläglich gescheitert sind und durch ihre teilweise Inhaftierung unter den Nazis selbst vielleicht sogar traumatisiert waren und den Blick für die Realität verloren haben.

Zähler seit 2009

Statistik

Seitenaufrufe heute: 0
Aufrufe letzte 7 Tage: 185
Besucher momentan online: 0

Hinweis

Kommentare, die mit dem Thema des jeweiligen Artikels nichts zu tun haben, werden nicht veröffentlicht.

***

Basteltrine

Basteltrines Basteleien

Wer Fragen zu Basteltrines Basteleien hat, klickt bitte HIER.

Archive

QR-Code